Blindenwaren im EU-Handel begünstigt

Innergemeinschaftliche Lieferung von Blindenwaren. Vorrang der Steuerfreiheit mit Vorsteuerabzug
Mit Urteil vom 14. November 2024 (Az. 5 K 17/24) hat das Finanzgericht Niedersachsen entschieden, dass die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a UStG Vorrang gegenüber der Steuerbefreiung für Lieferungen durch Blindenwerkstätten nach § 4 Nr. 19 Buchstabe b UStG hat. Die Entscheidung betrifft insbesondere grenzüberschreitende Lieferungen von Blindenwaren innerhalb der Europäischen Union.
Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Blindenwerkstatt Blindenwaren nach Österreich geliefert. Streitig war, ob für diese Lieferungen die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung Anwendung findet und damit das Recht auf Vorsteuerabzug erhalten bleibt, oder ob die spezifische Steuerbefreiung für Blindenwerkstätten, die in der Regel den Vorsteuerabzug ausschließt, vorrangig ist.
Die Finanzverwaltung war bislang der Auffassung, dass in solchen Fällen die Steuerbefreiung ohne Vorsteuerabzug maßgeblich ist. Diese Ansicht stützt sich auf Verwaltungsanweisungen und auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu vergleichbaren Sachverhalten im Bereich von Blutplasma und Zahnersatz.
Entscheidung des Finanzgerichts
Das Finanzgericht Niedersachsen hat der Sichtweise der Finanzverwaltung ausdrücklich widersprochen. Nach Auffassung des Gerichts ist die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung vorrangig, sodass der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a UStG nicht ausgeschlossen ist.
Das Gericht betont, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesfinanzhofs zu anderen Steuerbefreiungstatbeständen nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen werden kann. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Blindenwerkstätten grundsätzlich ein Optionsrecht zur Steuerpflicht nach § 9 Abs. 1 UStG haben, welches ebenfalls zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung schafft erhebliche Klarheit für Unternehmer, die im Rahmen einer Blindenwerkstatt tätig sind und innergemeinschaftliche Lieferungen ausführen. Die wesentlichen Folgen sind:
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Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung hat Vorrang.
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Der Vorsteuerabzug bleibt in diesen Fällen erhalten.
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Die bislang vertretene Auffassung der Finanzverwaltung ist damit nicht haltbar.
Da gegen das Urteil Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt wurde (Az. XI R 33/24), bleibt die endgültige Klärung abzuwarten. Bis dahin empfiehlt es sich, vergleichbare Fälle unter Berufung auf das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen offen zu halten.
Fazit
Das Urteil stärkt die umsatzsteuerliche Position von Blindenwerkstätten im grenzüberschreitenden Warenverkehr. Betroffene Unternehmen sollten ihre Lieferprozesse sowie die umsatzsteuerliche Behandlung bestehender Vorgänge überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
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